Ein Blick in die Geschichte
Die ältesten Hüttenteile im Sackweidli datieren von Mitte 18. & Ende 19. Jahrhundert.
Die Hütte wurde nach althergebrachter Sitte von einfachen Talbewohnern aus vorhandenem Holz & Stein, direkt am Standort, solide & zweckdienlich für die Sömmerung des Viehs & die Alpkäse-Produktion gebaut, eingerichtet & unterhalten – ohne jeglichen Schnickschnack, für den sowieso das Geld einst gefehlt hätte. Die Steinblöcke wurden von Hand behauen, Flecken, Pfätten, kleinere & grössere Balken, der Firstbalken usw. aus «Neumond-Baumstämmen» mit Beil & Spaltsäge hergestellt, Verzäpfungen, Holznägel & Schindeln mit handwerklichem Geschick gefertigt. Die vorgefundenen, noch immer funktionellen Werkzeuge & Geräte sind im Sackweidli erhalten.
Bis vor etwa 60 Jah-ren, als Philipp Schwitter, Unternehmer in Kandersteg & Jäger mit gerade bestandener Prüfung, die Hütte von Simon Grossen, einem alleinstehenden alten Bauer, kaufen konnte, hatte sie noch ein Schindeldach, beschwert mit Steinen, es war aber offensichtlich stellenweise undicht (Spuren von Wasserschäden im Stübli). Um abzuhelfen hat er die kritischen Stellen einfach mit gebrauchten Wellblechtafeln zugedeckt.
Bergleben einst und heute
Die Reste einer vorgefundenen Wiege zeigen, dass im Sackweidli einst junge Eltern mit Kleinkindern Alpwirtschaft betrieben haben müssen. Das Stübli war Wohn-, Ess- & Schlafraum zugleich. Ein Bett, ca. 1.40 breit und 1.80 lang & darunter ein Auszugbett, beides mit Stroh belegt, diente als Schlaf-stätte. Oben legten sich die Eltern hin, unten die Kinder. Oder oben Senn oder Sennerin & unten die «Statterbuben». Das waren grössere Knaben, manchmal, wenn sie alt genug waren, die eige-nen Söhne, aber oft auch Neffen oder Kinder von Bekannten. So waren sie im Sommer beschäftigt, lernten etwas & vor allem war so während einigen Monaten ein Mund weniger zu stopfen. Diese Knaben arbeiteten überall auf der Alp unter Anleitung als Gehilfen mit, Lohn war das Essen & das Dach über dem Kopf. Ab & zu waren sie sich auf der Alp allein überlassen, dann wenn der Senn sich ins Tal hinab begab um Besorgungen zu tätigen & bei schönem Wetter beim Heuen für den Winter zu helfen – oft gönnte er sich nach dem Tagwerk im Tal noch einen Besuch bei der Familie oder im Wirtshaus und kam er erst nachts zurück, wenn die Käuze riefen. Dann verriegelten die Statterbuben die Tür und legten sich bis zum Kopf unter die Decke, wenn sie sich vor den Schatten der Dunkelheit zu fürchten begannen.
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Vor dem Alpaufzug muss der Senn heute wie früher die Zäune stellen, damit die Weidebegren-zungen zur Nachbaralp, heute auch zum Strässchen, eingehalten werden & das «Ertrohle» der Tiere an steilen Hängen über Abgründen & Gräben verhindert wird. Im Herbst, vor den grossen Schnee-fällen, werden die Zäune auf die Erde abgelegt, damit sie durch massiven Schneedruck weniger Schaden nehmen können. Früher wurde oft Stacheldraht verwendet, seit den 1950er Jahren auch elektrische Zäune. Familie Holzer, die Eltern & Töchterchen Theres, heute auch Rentnerin, waren die Letzten, die das Sackweidli in Lehen hatten.
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Den Alpkäse - junger Halbhartkäse, Hartkäse sowie den weniger lang zu lagernde Weidmutsch - den sie wie ihr Vorgänger (bis weit ins AHV-Alter hinein), der ledig gebliebene Kandersteger Simon Grossen - ab den 60-er Jahren ihr Lehnherr, nach alter Väter Sitte herstellten. Er wurde auf Re-galen in der kühlsten Ecke der Hütte gelagert, täglich durch bürsten gepflegt & am Ende der Alpzeit auf «Chäsräfen» auf dem Rücken ins Tal getragen – nebst den geschmückten Kühen der ganze Stolz der Älpler. Manchmal wurde ein Käselaib durch Blähungen unansehnlich zerrissen, konnte deshalb nicht verkauft werden & diente dann der Selbstversorgung.
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Der Verkauf von genussreifem Alpkäse – er wird als «jung» / einjährig (mild im Geschmack) als «2-jähriger» (würziger im Geschmack), ab 2 Jahren Lagerung: Geeignet zum Hobeln, oder «räss» als «3- oder 4-jähriger»: Rezenter Hartkäse) verkauft. Das ist der Lohn für die harte Arbeit eines Alp-sommers. Überhaupt waren diese Leute Selbstversorger, im letzten Weltkrieg sogar staatlich ver-ordnet. Die einzigen Bargeld-Einnehmen kamen aus dem Käse-Verkauf und ab und zu von einem veräusserten Stück Vieh. Wer Platz hatte auf der Alp oder mehr Kuhrechte hatte als Vieh zum Be-stücken der Alp, nimmt, seit es Vieh-Transporter gibt, Stück-Vieh von anderen Bauern im Tal oder im Bernbiet, manchmal sogar aus anderen Kantonen gegen Entgelt für die Sömmerung an. Die Abgeltung erfolgt meistens durch Käse. Waldbesitzer konnten auch Holz verkaufen, ein lukratives Geschäft vor Zeiten der Oel-Zentralheizungen und Elektrizität in den Wohnhäusern. Heute ist der Unterhalt von Bergwald eher eine finanzielle Belastung. Früher hingegen wurde der der Wald als gute Versicherung für schlechte Zeiten angesehen.
Viele Dorfbewohner hielten sich auch 1 – 2 Schweine, deren Fleisch gepökelt, getrocknet, geräu- chert, als Schinken, Speck oder Würste durch den Winter verzehrt wurden, denn man kannte die Möglichkeit der Tiefkühlung erst seit den 1960er Jahren. Für die Eier hielt man Hühner, dazu 1-2 Ziegen, Kaninchen, auch Schafe, vor allem für die Wolle. Für ihre Sömmerung gab es ausgeschie-dene Gebiete in hohen Lagen, sog. Schafberge, die nicht einmal für Jungrinder geeignet sind. Frü-her wurden sie von Schäfern bewacht, heutzutage geht der Besitzer ab und zu hoch, bringt Gläck (Salz) und schaut nach den Tieren. Frischfleisch von grösseren Tieren kam früher höchst selten auf den eigenen Tisch. Das Wildern von Gemse, Reh und Hase unter der ärmeren Bevölkerungsschicht war deshalb recht verbreitet. Wer sich vom Wildhüter jedoch erwischen liess oder verraten wurde, bezahlte hohe Bussen. In den Notjahren während dem 1. Weltkrieg verzehrte man auch Murmel-tiere & Dachse. Das Murmelifett konnte man gut verkaufen und die Dachshaare waren für die Her-stellung von Rasierpinseln sehr gefragt. Die Zubereitung dieses Fleisches allerdings will gekonnt sein, wenn es einigermassen schmecken soll.
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Die Landwirte die es sich leisten konnten, hatten einen Knecht, selten auch eine Magd, die im besten Fall jahrzehntelang für sie im Dienst waren & Familienanschluss genossen.
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Die Kühe werden heute wie einst, auf der Alp & im Tal, früh morgens & früh abends gemolken. Tagsüber sind sie auf den eingezäunten Weiden, die abwechslungsweise genutzt werden. An heis-sen Tagen verbringen die Kühe den Tag im Stall & gehen in der kühleren Nachtzeit auf die Weide. Viele Landwirte haben sogar 2 Alphütten, zwischen denen sie 2x pro Alpsommerzeit hin- & her-ziehen während das Futter auf den ungenutzten Alpwiesen & -Hängen nachwächst. Einige haben sogar ein Vorsäss, wo die Tiere vor dem eigentlichen Alpaufzug das Gras abweiden.
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10 lt Milch ergeben nur 1 kg Käse. Butter gewann man durch Abrahmen der stehenden Milch in den Gepsen, gab die Nidla ins Butterfass & drehte es ohne Pause bis sie emulgierte, sich also ve-rfestigte bzw. von der fast durchsichtigen Buttermilch trennte. Buttermilch war ein beliebter Durst-löscher, manchmal gesüsst mit selbstgemachtem Sirup. Die «Chäsmilch», die Flüssigkeit, die übrig bleibt wenn der Käse geronnen ist, verfütterte man den Schweinen, die mit auf die Alp kamen. Im Sackweidli waren stets nur Kleinbauern zu Werke, solche die nebst einigen Kühen keine Schweine hatten, höchstens ein paar Ziegen. Ziegenkäse war sehr begehrt.
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Trotz langer Arbeitstage genossen die Älpler ihre vielbesungene Freiheit in dieser Abgeschieden-heit: Niemand redete ihnen drein bei ihrem Tun, sie teilten ihre Unterhalts- & Käsereiarbeiten selbst ein. Bewirtschaftete einer sein Alpetli alleine, wurde er in dieser Einsamkeit zum eher wortkargen Einsiedler – so wie Johanna Sypri den Alpöhi im Buch Heidi geschildert hat. Heute sind die Sennen dank dem Strässchen viel mobiler und können zwischendurch auch mal schnell für ein paar Stunden ins Tal.
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Alpkäse schmeckt übrigens von Region zu Region anders, geprägt von den der Zusammensetzung der Pflanzen, Kräuter & Blumen, die von den Tieren gefressen werden. Wieviel von was wächst ist je nach Standort sehr unterschied-lich & prägt das Aroma des dort entstandenen Alpkäses. Im Hoch-sommer, meist dort wo Frauen mit auf der Alp waren, stellte man durch das erhitzen der Chäsmilch (Molke) auch den Alpenziger her, ein geschmacks-neutraler Frischkäse, den man z.B gesüsst mit Honigfäden & frischer Minze oder gesalzen, mit Kräutern, z.B. Schnittlauch, genoss. Alpziger ist heute noch während der Alpzeit erhältlich. Elsbeth Stoller z.B., auf der Alp Rychebärgli (35-40 Fussmin.), direkt oberhalb dem Sackweidli, stellt ihn bis heute auf Anfrage hin her. Mit etwas Fleur de sel & einigen Fäden nativem Olivenöl ein Gourmet-Genuss! Man kann ihn auch in einem Tuch in den Kamin hängen, so wird er zum Rauchziger, mit feinem Räuchergeschmack.
Am Sonntag besorgte man nur das Melken & den Stall. Das liess Zeit für gegenseitige Besuche auf anderen Alpen, die einzigen sozialen Kontakte in der Alpzeit. Diese Stunden & der «Abesitz», das Plaudern mit Nachbar-Älplern draussen auf dem «Fyrabebänkli» oder im Stübli, bei einer «Chachle Gaffe» mit einem Schuss «Brönnts» (Gebranntes) waren die einzigen sozialen Momente im Älpler-leben – an Feiertagen gar manchmal mit Musizieren, Jodelgesang oder Alphornblasen (diente in früheren Jahrhunderten als Verständigung von Alp zu Alp oder vom Tal zum Bärg / Bärgli = Alp). Heutzutage …..
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In diesen Mussestunden entstand wohl auch das Schwingen (Ringkampf nach strengen Regeln) unter jungen Älplern im Alpsommer. Heute ist Schwingen ein Hochleistungs-Sport, der an Schwing-festen in Perfektion gezeigt wird. Am eidgenössischen, das alle 3 Jahre stattfindet, erhält der Sieger, der Schwingerkönig einen Muni, einen prächtigen Stier als Preis und natürlich den Lorbeerkranz, wie die besiegten bis zum 10. Rang hinter ihm. Die Favoriten nennt man die «Bösen», gemeint sind die Schwinger, die schon grosse Schwingfeste, auch «Kantonale» genannt, die alljährlich in vielen Kantonen ausgetragen werden, gewonnen oder einen vorderen Rang errungen haben. Sie tragen auch den Titel «Eidgenoss». Heute betreibt die junge Generation der Familie Künzi gibt es das Alp-Restaurant Lohner, wo sich die Älpler zu einem Feierabendbier auf einen Schwatz treffen. Den Abesitz pflegt man nur noch ab und zu. Es gibt aber einen Üschene-Märit ???, einmal während des Alpsommers die Üschne-Predigt unter freiem Himmel sowie die Scheidabende vor dem Alpabzug.
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Das Äussere & Innere Ueschinental, Usser- & Inner-Üschene genannt ist die grösste Gemeinschafts-alp im Kanton Bern. Sie wird nach sogenannten «Kuhrechten» bestossen, eine Art Allmend-Bewirt-schaftung. Man besitzt also Kuhrechte, zum Teil sehr hoch gehandelt, und nicht den Boden. Einzig die Hütten sind in Privat-Besitz. 1 Kuhrecht berechtigt zur Sömmerung einer Milch-kuh, oder 2 Rin-dern, 3 Kälbern oder 4 Ziegen… Der Alpaufzug (ungeschmückte Tiere) & der Alpabzug (schön geschmückte Tiere) geschieht für alle am gleichen Tag früh morgens oder nachts, so dass alle Alpberechtigten genau gleich viel Tage, ca. 100 Tage im Schnitt, die Alpweiden nutzen dürfen.